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Annahmeverzugslohn bei Arbeit auf Abruf

Im Rahmen der Vereinbarung von Arbeit auf Abruf nach § 12 Teilzeit- und Befristungsgesetz (TzBfG) muss eine bestimmte Dauer der wöchentlichen und täglichen Arbeitszeit festgelegt sein. Das BAG schafft in einer neuen Entscheidung (Urteil vom 18. Oktober 2023 – 5 AZR 22/23), die bisher nur als Pressemitteilung vorliegt, Klarheit zu den Folgen, wenn eine solche Festlegung nicht erfolgt ist.

Soll der Arbeitsumfang entsprechend dem Arbeitsanfall erbracht werden, kommt die sog. Arbeit auf Abruf in Betracht. Dem Arbeitgeber bietet dieses Modell erhebliches Sparpotential. Hierdurch wird gleichzeitig die Planungssicherheit der Arbeitnehmer beschränkt. Diesen Konflikt aufzulösen sucht § 12 TzBfG. Nach § 12 Abs. 1 Satz 2 TzBfG muss eine bestimmte Dauer der wöchentlichen und täglichen Arbeitszeit festgelegt werden. Hier kann eine Mindestarbeitszeit vereinbart werden, die nur bis zu 25 % überschritten werden darf. Wird eine Höchstarbeitszeit vereinbart, darf diese nur bis zu 20 % unterschritten werden (§ 14 Abs. 2 TzBfG).

Nichts vereinbart: 20 Stunden pro Woche

Wird keine Arbeitszeit vereinbart, gilt nach § 12 Abs. 1 Satz 3 TzBfG eine wöchentliche Arbeitszeit von 20 Stunden als vereinbart. Das entspricht im Schnitt 86,67 Stunden im Monat. Wird der Arbeitnehmer in unterschiedlichem Umfang eingesetzt, stellt sich die Frage, ob ein Anspruch auf Annahmeverzugslohn besteht und wenn ja, in welcher Höhe.

Höherer Abruf in der Vergangenheit erhöht die Arbeitszeit nicht

In dem Fall, den das BAG zu entscheiden hatte, berief die Arbeitnehmerin sich auf den Zeitraum 2017-2019, in dem Sie monatlich im Durchschnitt 103,2 Stunden beschäftigt wurde. Im Jahr 2020 war der Umfang des Abrufs dagegen heruntergegangen. Im September 2020 wurde die Klägerin 77,5 Stunden, im November 2020 insgesamt 86 Stunden und im Dezember 2020 insgesamt 75,2 Stunden abgerufen.

Die Klägerin verlangte vom Arbeitgeber Vergütung der Differenz zwischen den geleisteten Stunden im Jahr 2020 und 103,2 Stunden im Monat. Die Klägerin vertrat die Auffassung, dass die Parteien durch die Beschäftigung im Umfang von durchschnittlich 103,2 Stunden in den Jahren 2017-2019 konkludent eine durchschnittliche Mindestarbeitszeit in diesem Umfang vereinbart hätten.

Dem folgte das BAG nicht. Da im Vertrag kein Umfang der Arbeitszeit vereinbart war, gilt ein Umfang von 20 Stunden die Woche als vereinbart. Die bloße Beschäftigung in höherem Umfang genüge nicht, um von einer konkludenten Änderung des Umfangs der Arbeitszeit auszugehen. Hierfür wäre erforderlich, dass die Arbeitnehmerin konstant in einem gleichbleibenden Umfang abgerufen werde. Im vorliegenden Fall schwankte die Arbeitszeit stark und betrug nur im Durchschnitt 103,2 Stunden. Entsprechend hatte die Klägerin auch nur Anspruch auf Vergütung der Differenz zu den 20 Stunden pro Woche. Die 20 Stunden, die nach § 14 Abs. 1 Satz 3 TzBfG als vereinbart gelten, sind als Mindeststundenzahl zu verstehen. Ruft der Arbeitgeber diesen Umfang nicht vollständig ab, obwohl der Arbeitnehmer zur Verfügung steht, gerät er in Annahmeverzug.

Praxishinweise:

  • Arbeitgeber, die Arbeitnehmer auf Abruf in geringerem Umfang als 20 Stunden die Woche beschäftigen wollen, sollten eine Vereinbarung zu den Wochenstunden im Vertrag aufnehmen. Andernfalls drohen Annahmeverzugslohnansprüche der Arbeitnehmer.
  • Auf der anderen Seite droht in der Regel auch kein Risiko höherer Annahmeverzugslohnansprüche als im Umfang von 20 Stunden, wenn nicht regelmäßig – Woche für Woche – ein höherer und gleichbleibender Umfang abgerufen wird.
  • Nichtsdestotrotz sollten Arbeitgeber hier kein Risiko eingehen und eine Vereinbarung zu Wochenstunden in den Vertrag aufnehmen, zumal andernfalls auch Bußgelder bis zu zweitausend Euro pro Arbeitnehmer nach dem Nachweisgesetz (NachwG) drohen.

Entscheidung:

  • BAG, Urteil vom 18. Oktober 2023 – 5 AZR 22/23 (Pressemitteilung)